Warum Diversität in vielen Konzernen noch lange auf sich warten lassen wird… und wie dies womöglich zu ihrem Niedergang führt.
Wenn man sich die Personen im mittleren Management vieler Konzerne genauer anschaut, hat man das Gefühl, dass diese fast alle haargenau durch die gleiche Schablone passen: Ende 40 bis Ende 50, hellhäutig, männlich, mit klassischer Rollenverteilung zu Hause, 80 Stunden-Woche, reden abfällig über Haushalts- und Kinderbetreuung und tragen bitte nicht zu viele Innovationsgedanken mit sich herum. Keine Richtlinien hinterfragend, die vom oberen Management vorgegeben werden und nie, aber auch nie Kritik äußernd. In einigen Firmen wird diese Stellenbeschreibung des mittleren Managers noch durch einen Schuss Narzissmus bis hin zum übergroßen Ego ergänzt.
Und genau diese Personen fördern dann auch nur Personen, die ihnen möglichst ähnlich sind – die nennen sich dann Nachwuchsführungskräfte. Die ziehen dann genau den gleichen Stil durch – vielleicht abgesehen von dem einen oder anderen zusätzlichen technischen Tool, welches sie einführen (natürlich, um die Mitarbeiter besser kontrollieren zu können.) Das sollen nun die Innovationstreiber in modernen Unternehmen sein? Radio Gaga lässt grüßen.
Wieso passiert genau das in Unternehmen, die sich Diversität auf die Fahne schreiben? In Konzernen, die die entsprechenden Ressourcen hätten, um hier einen tatsächlichen Wandel herbeizuführen? Wo das oberste Management immer wieder beteuert, wie wichtig ihnen Diversität sei und wo viel Geld dafür ausgegeben wird, dass entsprechende Trainings durchgeführt werden?
Die traurige Wahrheit ist, dass es zwar chic ist, als diverses Unternehmen in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, aber dass es eigentlich niemanden im Management wirklich interessiert.
Für die Außenwirkung ist es zwar toll, darzustellen, dass es Netzwerke z.B. für Frauen gibt und spezielle Förderprogramme für verschiedenste Mitarbeitergruppen, genauso wie Sensibilisierungs-Trainings für das mittlere Management – aber was ist, wenn dies nicht im Arbeitsalltag ankommt? Wenn gerade unter diesem Deckmantel Diskriminierungen noch wilder wuchern können als zuvor?
Die Manager werden fast ausschließlich danach beurteilt, wie ihre Performance in den Kennzahlen ist – mit messbaren Kriterien. Gutes Führungsverhalten und Bemühungen, heterogene Teams zu formen, sind aber in der Regel nicht messbar.
Aufgrund der erhöhten Sensibilisierung in den Konzernen wissen jene Manager nun ziemlich genau, was sie offen kommunizieren dürfen und was nicht. Damit verlagert sich die Diskriminierung in den verdeckten Bereich – und ist für jene, die darunter zu leiden haben, kaum mehr fassbar, geschweige denn beweisbar. Ohne handfeste Fakten ist es äußerst schwer, schwieriges Führungsverhalten anzusprechen. Die Gefahr, sich selbst direkt ins Abseits zu katapultieren und die eigenen Karrierechancen weiter einzutrüben, ist sehr groß.
Wenn ihnen Beförderungen verweigert werden, müssen sich die Opfer solcher Strukturen In Mitarbeitergesprächen dann Aussagen anhören wie: „Sie sind in dem Gespräch zu gut vorbereitet gewesen – wir hätten gerne ein bisschen Mut zur Lücke gesehen.“ Gerne werden auch vollkommen antiquierte Klischees angeführt wie: „Eine durchgehende Präsenz vor Ort und direkte Erreichbarkeit muss in der Führungsposition gewährleistet sein – da ist Home Office nur im absoluten Notfall mal drin.“ Oder: „Freitag müssen Sie schon noch bis 17 Uhr im Hause sein.“ Manchmal sitzen sogar die Vertreter aus der Personalabteilung daneben und nicken freundlich.
Das sind allen Ernstes jeweils formal die einzigen (!) Begründungen für die Absagen an die Beförderungen gewesen. Natürlich handelte es sich bei den äußerst qualifizierten Kandidaten nicht um die oben beschriebenen Radio-Gaga-Typen.
Und dann passiert es, dass in diesen Konzernen dann vielleicht einmal im Jahr die Führungsriege der Gaga-Typen dumm aus der Wäsche schaut, wenn es leider, leider wieder keine oder keinen (weiteren) geeignete/n Kandidatin/Kandidaten gegeben hat, welche/welcher die Management-Runde etwas heterogener gemacht hätte.
Wenn man Diversität propagiert, dann muss man auch Diversität in der Führung zulassen – nicht nur die in der Persönlichkeit liegende Diversität, sondern auch jene in der Art und Weise der Führung. Im Unternehmensalltag wird momentan neben den Gaga-Managern auch fast ausschließlich der Gaga-Führungsstil gefördert.
Diese Mechanismen und Wahrheiten müssen wir uns anschauen, wenn wir tatsächliche Diversität auf allen Managementebenen erreichen wollen. Insbesondere Konzerne sollten dies tun, wenn sie in den nächsten Jahrzehnten noch erfolgreich bestehen wollen. Nun kommt uns in Deutschland die Situation entgegen, dass wir einen erheblichen Fachkräftemangel haben und sich die Arbeitnehmer oftmals aussuchen können, wo und unter welchen Bedingungen sie arbeiten wollen. Der frühere Arbeitgebermarkt entwickelt sich zu einem Arbeitnehmermarkt. Konzerne mit Gaga-Managern mögen zwar aufgrund ihrer Außenwirkung zunächst gut ausgebildete Fachkräfte anziehen, aber sicher nicht auf Dauer halten können.
Wenn immer mehr gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte frustriert die Konzerne verlassen, weil sie zu anderen Unternehmen streben, die dies verstanden haben und Diversität tatsächlich leben, bluten die Großunternehmen im wahrsten Sinne aus. Mit der Farbe kommt ihnen auch ihre Lebensenergie, ihre Schlagkraft und ihr Esprit abhanden – alles Dinge, die sie von ihren Wettbewerbern unterscheiden könnten. Und dann ist der Niedergang kaum mehr aufzuhalten. Den Gaga-Typen würde es nicht in den Sinn kommen, sich dem mit aller Kraft entgegenzustemmen. Sie suchen sich in der Situation lieber einen neuen Job.