von Nadine Pniok
Wir waren in den ersten Herbstwochen im Urlaub auf Gran Canaria. Und es war wirklich sehr schön entspannt. Was auch daran lag, dass wir uns wenig Programm vorgenommen hatten und in den letzten Tagen meine Eltern zu uns gestoßen sind und begeistert die Betreuung des Enkels übernommen haben und mein Mann und ich tatsächlich mal Freizeit zu zweit hatten.
Allerdings graute es mir in der Kombination immer vor den Mahlzeiten im Hotelrestaurant zum Frühstück und Abendessen. Junior hatte sich am ersten gemeinsamen Tag gewünscht, zwischen Papa und Opa zu sitzen. Das hat er dann bei allen weiteren Mahlzeiten so beibehalten, weil wir Rituale momentan echt toll finden. Entsprechend hatte er meine Mutter und mich auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches im Blick. Und wir ihn. Und da begann der unentspannte Teil.
Junior fand es großartig, sich selbst Milch mit einer Schicht Kakaopulver vom Buffet zu holen und das übervolle Glas schwungvoll am Tisch umzurühren. Es gab also immer einen Kakaosee um sein Glas herum, welches zudem noch immer gaaannz nah am Tischrand stehen musste. Dagegen findet er es vollkommen überschätzt, sich oder seinen Teller in Richtung Tischrand zu rücken und die Ärmel vor dem Essen hochzukrempeln. Im Ergebnis hieß es bei jeder zweiten Bewegung von ihm – wahlweise von mir oder meiner Mutter: „Bitte pass auf/Rück mal ordentlich ran/Krempele die Ärmel hoch/Kleckere nicht so rum/Du wirst ja ganz dreckig“.
Schließlich wurde es meinem -sonst sehr geduldigen – Mann zu bunt und er konfrontierte mich damit, dass ich und meine Mutter eine furchtbar unentspannte Atmosphäre verbreiten würden und wir das Kind doch einfach mal machen lassen sollten. Nachdem ich mich erst darüber aufgeregt habe, von meinem Mann mit meiner – aus meiner Sicht großartigen, aber auch nervösen – Mutter in einen Topf geworfen zu werden und mich dann wieder beruhigt hatte, hatten wir ein tolles Gespräch.
Mein Mann Robert sagte (als wir unter uns waren): „Was soll denn schlimmstenfalls passieren? Im schlimmsten Fall macht er eine riesige Sauerei und das Geschirr geht zu Bruch. Na und? Besser hier als zu Hause. Und was meinst Du, welchen Eindruck das auf ihn machen wird, wenn wir einmal so eine peinliche Situation haben und die Kellner das sauber machen müssen. Dann wird er garantiert besser aufpassen. So wartet er bei jeder Bewegung auf eine Reaktion von Euch und wir sitzen alle angespannt am Tisch. Wir haben schließlich Urlaub, entspann Dich mal ein bisschen. “
Erst fand ich diese Äußerung total respektlos gegenüber den Kellnern – aus meiner Familie sollte schließlich niemand dafür verantwortlich sein, dass andere mehr Arbeit haben. Aber je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr fragte ich mich, wie groß die Wahrscheinlichkeit für eine solche Schweinerei und der damit verbundenen peinlichen Szene tatsächlich ist (ehrlich gesagt nicht so groß) und was ich meinem Sohn eigentlich damit antue, ihn so zu gängeln. Kein Wunder, dass er sich immer öfter genervt von mir zeigte. Habe ich meinen Hang zum Perfektionismus schon auf ihn übertragen. Möchte ich wirklich einen kleinen Menschen großziehen, der unsicher ist und sich immer fragt, was andere davon halten mögen? Klare Antwort: Nein.
Und so dramatisch schlimm sind seine Essensmanieren nun auch wieder nicht.
Im Ergebnis habe ich dann meine Zähne zusammen gebissen, meinen Mann angezischt, er möge mich nie wieder mit meiner Mutter vergleichen (einen Punkt brauchte ich auch 😉) und mir am Tisch jedes mal auf die Zunge gebissen, wenn mir ein entsprechender Kommentar auf der Zunge lag. Meistens hat ihn meine Mutter eh für mich gemacht. Aber ganz ehrlich: nach ein paar weiteren Mahlzeiten war unser Miteinander am Tisch sehr viel entspannter (nachdem ich auch meine Mutter ermahnt hatte, etwas cooler zu sein) und wir hatten eine tolle Zeit.
Einzige Ausnahme war der Abend, an dem ein Schokobrunnen auf dem Buffett stand und Junior hinterher aussah, als ob er darin gebadet hat. Aber gerade nach diesem Abend wussten wir dann die anderen Mahlzeiten in entspannter Atmosphäre noch mehr zu schätzen. Und wir (= natürlich nur meine Mutter und ich) haben jedes Mal aufgeatmet, wenn kein Schokobrunnen auf dem Buffet stand.
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